Autounfall & Schaden

Wie wird der Wiederbeschaffungswert ermittelt? Und wofür eigentlich?

Schwerer Autounfall, hohe Reparaturkosten oder gar ein Totalschaden? In solchen Situationen lohnt sich ein Blick auf den Wiederbeschaffungswert im Kfz-Gutachten. Doch was genau ist eigentlich der Wiederbeschaffungswert? Ab wann gilt ein Schaden als Totalschaden? Und was hat es mit der 130-Prozent-Regelung auf sich? All das erklären wir dir in diesem Ratgeber.

Inhalt
Was ist der Wiederbeschaffungswert? Was ist ein wirtschaftlicher Totalschaden? Restwert, Zeitwert, Wiederbeschaffungsaufwand: Wo sind die Unterschiede? Was tun, wenn die gegnerische Versicherung den Wieder­beschaffungswert zu niedrig ansetzt?

Das Wichtigste zusammengefasst:

Was ist der Wiederbeschaffungswert?

Nach einem Autounfall wird in aller Regel ein Schadengutachten erstellt. Darin wird auch immer der Wiederbeschaffungswert ausgewiesen. Wofür steht dieser Wert und wofür ist er wichtig?

Definition

Was sagt der Wiederbeschaffungswert aus?

Nach einem Diebstahl oder Unfall wirst du entschädigt und kannst dir ein neues Auto kaufen

Wenn dein Auto, z.B. durch einen Unfallschaden oder Vandalismus, stark beschädigt bzw. zerstört wurde oder durch einen Diebstahl abhandengekommen ist, sorgt der Wiederbeschaffungswert bei der Schadensabwicklung dafür, dass du angemessen entschädigt wirst. Somit bist du mit dieser Summe in der Lage, ein gleichwertiges Auto zu erwerben. Ob du ein gebrauchtes, oder  – gegebenenfalls gegen Aufpreis – ein neues Kfz kaufen möchtest, kannst du selbst entscheiden.

Wofür ist der Wiederbeschaffungswert und welche Rolle spielt er?

Der Wiederbeschaffungswert ist eine wesentliche Berechnungsgröße für Versicherungen bei der Schadensregulierung. Das gilt für alle Sachversicherungen wie Hausratversicherungen, Gebäudeversicherungen und eben auch Kfz-Versicherungen. Deshalb solltest du nach einem Unfall unbedingt eine:n proffessionelle:n Kfz-Gutacher:in kontaktieren.

Denn nur, wenn der Wiederbeschaffungswert in einem Kfz-Gutachten aussagekräftig ermittelt wird, lässt sich die Wirtschaftlichkeit einer fach- und sachgerechten  Reparatur überhaupt beurteilen.

Lohnt sich die Reparatur? Liegt ein Totalschaden vor oder nicht? Das hängt immer vom Verhältnis der Reparaturkosten zum Wiederbeschaffungswert ab.

Wie berechnet sich der Wiederbeschaffungswert?

Die Berechnung der Wiederbeschaffungswerts ist aufgrund der Komplexität vieler Faktoren die Aufgabe eines erfahrenen Kfz-Sachverständigen.

Um den Wiederbeschaffungswert zu berechnen, sind z. B. folgende Faktoren wichtig:

Um den Wiederbeschaffungswert zu berechnen, werden viele verschiedene Faktoren berücksichtigt

Außerdem spielen saisonale Marktbedingungen und die Region, in der du lebst, eine wichtige Rolle.

„Wir schauen uns den Wagen genau an: Was hat er für Vorschäden gehabt? Gab es irgendwelche großen Kratzer, Beulen, Verformungen? Wurden große Reparaturen durchgeführt? Ist der TÜV abgelaufen oder ist er bald fällig? Sind neue Reifen drauf? Und aus all diesen ganzen Punkten resultiert dann der Wiederbeschaffungswert.“
Paul Kuhnert, Kfz-Sachverständiger

Was ist ein wirtschaftlicher Totalschaden?

Wirtschaftlicher Totalschaden: Definition

Wenn du dein Auto nach einem unverschuldeten Unfall wieder instand setzen lassen möchtest und die Versicherung der Gegenseite die Reparaturkosten übernehmen muss, wird normalerweise zuerst ein Schadengutachten durch eine:n Kfz-Sachverständige:n angefertigt. Dieses Gutachten bestimmt, ob ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt.

Ein wirtschaftlicher Totalschaden liegt dann vor, wenn die Reparaturkosten höher sind als die Kosten für die Wiederbeschaffung eines Fahrzeugs. Dementsprechend wäre eine Reparatur unzumutbar oder unwirtschaftlich.

Nach der sogenannten 130-Prozent-Regelung ist eine Instandsetzung jedoch trotz wirtschaftlichen Totalschadens möglich.

Nicht immer ist der Totalschaden so eindeutig wie in diesem Fall

Ratgeber: Die 130-Prozent-Regelung

Nach der sogenannten 130-Prozent-Regelung kannst du dein beschädigtes Fahrzeug auch dann reparieren lassen, wenn ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt. Das heißt: Auch wenn die Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert liegen, darfst du dich für eine Reparatur entscheiden und die Versicherung muss dafür aufkommen.

Allerdings nur unter drei Bedingungen:

Greift die 130-Prozent-Regel, können Sie, das Auto vollständig und fachgerecht reparieren zu lassen, soweit sie es anschließend noch mindestens sechs Monate weiter nutzen. Dabei ist es gleich, von wem Sie das Fahrzeug instand setzen lassen. Erfolgt die Reparatur jedoch in Eigenregie, sind Sie verpflichtet, das Auto anschließend begutachten zu lassen.

Beispielrechnung 130-Prozent-Regelung

Besagt das Gutachten des Kfz-Sachverständigen einen Wiederbeschaffungswert von 10.000 Euro, darfst du als Betroffene:r von der Versicherung des Unfallverursachers Reparaturkosten in Höhe von 13.000 Euro Brutto einfordern. Wenn die ermittelten Reparaturkosten deines Autos im Gutachten aber über 13.000 Euro liegen, kann die Kfz-Versicherung der Gegenseite die erwünschte Reparatur ablehnen.

Hinweis: Anders sieht es aus, wenn die Reparaturkosten im Gutachten bei 13.000 Euro liegen, die Werkstatt aber nach erfolgter Reparatur mehr in Rechnung stellt. In diesem Fall muss die Versicherung trotzdem zahlen. Das sogenannte „Prognoserisiko“ trägst also nicht du, sondern die Versicherung.

Besteht ein Anspruch auf Ersatz des Neuwerts bei wirtschaftlichem Totalschaden?

Wenn du die 130 %-Regelung nicht in Anspruch nimmst - wenn du dein Auto also nicht reparieren lassen willst - dann wird dir eine Entschädigungssumme ausbezahlt. Diese ergibt sich aus dem ermittelten Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts.

Restwert, Zeitwert, Wiederbeschaffungsaufwand: Wo sind die Unterschiede?

Kfz-Gutachter:innen schauen sich dein Auto genau an, um den Wiederbeschaffungswert zu ermitteln

Im Zusammenhang mit dem Wiederbeschaffungswert fallen häufig auch Begriffe wie Restwert, Zeitwert und Wiederbeschaffungsaufwand. Was sie bedeuten und wie sie miteinander zusammenhängen, erklären wir hier:

Was ist der Unterschied zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert?

Im Gegensatz zum Wiederbeschaffungswert handelt es sich beim Restwert um den Betrag, der sich beim Verkauf des Unfallfahrzeuges noch erzielen lässt. Da bei einem wirtschaftlichen Totalschaden keine Reparatur mehr in Frage kommt, fällt der Restwert in der Regel eher gering aus.

Was ist der Wiederbeschaffungsaufwand?

Der Wiederbeschaffungsaufwand ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert. Hierbei handelt es sich um den Betrag, den du erhältst, um dir nach dem Verkauf des Unfallwagens ein gleichwertiges Kfz anzuschaffen.

Beispielrechnung:

Wiederbeschaffungswert *   = 10.000 Euro (Wert deines Fahrzeugs vor Unfall)

minus Restwert                      = 1.500 Euro (Wert deines Fahrzeugs nach dem Unfall)

Ergibt Wiederbeschaffungsaufwand    = 8.500 Euro (dein Anspruch bei der Versicherung)

* Auszahlung des kompletten Wiederbeschaffungswerts: Ist das auch möglich?

Tatsächlich zahlen die Kfz-Versicherungen oft den kompletten Wiederbeschaffungswert aus. Im Gegenzug trittst du dein kaputtes Auto an sie ab und sie kümmern sich um den Verkauf über eine sogenannte Restwertbörse.

Was tun, wenn die gegnerische Versicherung den Wieder­beschaffungswert zu niedrig ansetzt?

Es ist üblich, dass gegnerische Versicherungen versuchen, den Wiederbeschaffungswert sehr niedrig anzusetzen, um ihre Kosten gering zu halten. Bereits 1992 hat der BGH (Bundesgerichtshof) entschieden, dass sich ein:e Geschädigte:r auf die Werte verlassen darf, die in einem Kfz-Gutachten stehen. Diese sind maßgeblich und nicht die Werte der Versicherung.

Unsere Empfehlung daher: Hol dir von Anfang an Unterstützung durch unabhängige Expert:innen, also z. B. Anwält:innen für Verkehrsrecht und/oder Kfz-Sachverständige. Sie stehen auf deiner Seite, wenn die gegnerische Versicherung versucht, die Entschädigungssumme kleinzurechnen.

Übrigens: Du musst keinen Kfz-Sachverständigen der gegnerischen Versicherung nehmen.

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